Im Duell um das zweite Endspielticket bei den US Open stehen sich zwei Grand-Slam-Semifinal-Debütanten gegenüber. Dass Carlos Alcaraz in die Vorschlussrunde von Flushing Meadows vordringen würde, überrascht kaum. Mit Frances Tiafoe unter den letzten Vier war im Vorfeld des Turniers hingegen weniger zu rechnen. Krasser Außenseiter ist der groß aufspielende Lokalmatador gegen den spanischen Shootingstar aber keineswegs, auch wenn die Statistik anderes aussagt.
Zwar wartet der Amerikaner seit 2018, als er das Hartplatz-Event von Delray Beach im Finale gegen den Bayern Peter Gojowczyk gewann, auf einen Turniersieg. Doch weiß man spätestens seit dem ATP500 letzten Herbst in Wien, in dem er im Titel-Showdown Alexander Zverev unterlag, wozu der 24-Jährige auf flotteren Untergründen in der Lage ist.
Allerdings konnte Tiafoe in diesem Jahr an jene Leistung nur selten anknüpfen. Bei den Masters-Events vor den US Open in Montreal und Cincinnati war jeweils in Runde zwei Endstation, sein bestes Saisonresultat erzielte er im europäischen Sandplatz-Sommer mit dem Finaleinzug in Estoril.
Sein Widersacher wird wiederum bereits als rechtmäßiger Thronfolger der Big Three gefeiert. Sechsmal schaffte es Alcaraz, der mit einer ähnlich hohen Spielintensität agiert wie sein freitägiger Gegner, in dieser Saison in ein ATP-Finale, vier davon gewann er, zwei sogar auf Masters-Ebene. Und den ersten 1000er-Titel holte der Teeanger in Miami, wo wie in New York auf einem Laykold-Belag gespielt wird.
Bisher gab es nur eine Begegnung zwischen den beiden Semifinalisten, im Vorjahr siegte Tiafoe auf dem Sand von Barcelona in zwei Sätzen. Dass der aus einfachsten Verhältnissen stammende Sohn von Einwanderern aus Sierra Leone just in der Heimat von Alcaraz auf dessen bevorzugten Belag gewinnen konnte, erstaunt einerseits, auf der anderen Seite zählte der Verlierer der damaligen Partie zu dem Zeitpunkt noch keine 18 Lenze, sein Stern ging erst so richtig in diesem Frühling auf.
Was spricht für US Open Halbfinalsieg von Carlos Alcaraz?
Mit nur 19 Jahren verfügt Carlos Alcaraz über ein beachtlich umfassendes Schlagarsenal, das praktisch keine Schwächen aufweist. Mit der überaus verlässlichen Vorhand variiert er zwischen flachen, pfeilschnellen Drives und extremen Topspins, die Rückhand ist ebenso schwer zu lesen wie die ansatzlosen Stopps, die ein Schlüsselelement seines Spiels bilden. Auch mit plötzlichen Netzangriffen, die von soliden Aufschlägen und gefühlvollen Volley getragen werden, überrascht der Mann aus El Palamar oft und gerne seine Gegner.
Weiters deckt der Schützling von Juan Carlos Ferrero mit seiner enorm starken Physis und exzellenten Beinarbeit den Platz hervorragend ab, doch vor allem die mentale Stabilität bringt ihm in der Szene viel Bewunderung ein. Im bis 2:50 Uhr in der Früh andauernden Viertelfinal-Thriller gegen Jannik Sinner, dem er zuvor zweimal unterlegen war, musste der Rechtshänder sogar einen Matchball abwehren, ehe er sich in fünf umkämpften Sätzen durchsetzte.
Und der Hardcourt scheint der Nummer drei der Setzliste ebenso zu liegen wie die rote Asche. In bisher 19 Vergleichen mit Top-10-Akteuren konnte er elf gewinnen, sechs davon auf festem Untergrund. Ebenfalls bemerkenswert: Die US Open stellen das mit Abstand erfolgreichste Major-Turnier für Alcaraz dar, von zehn Karrierematches im USTA Billie Jean King National Tennis Center ging er nach neun als Sieger vom Platz. Als zusätzliche Motivation könnte die Aussicht auf die Führung in der Weltrangliste dienen, dafür müsste er zumindest das Finale erreichen.
Was spricht für US Open Halbfinalsieg von Frances Tiafoe?
Immer wieder hat man in den vergangenen Jahren auf eine Eruption des Vulkans Frances Tiafoe gewartet, bei den US Open scheint er endgültig ausgebrochen zu sein. Mit welcher Wucht er seine Gegner im Big Apple förmlich überrollt, beeindruckt. Den Druck erzeugt die Nummer 26 der Welt nicht nur mit einem gewaltigen ersten Aufschlag, sondern auch mit dem vielleicht nach Novak Djokovic zweitbesten Return auf der Tour und der so unkonventionell und schnell geschlagenen Topspin-Vorhand.
In seinen bisherigen fünf Turniermatches ließ der 24-Jährige kaum etwas anbrennen, einzig im Achtelfinale gegen Rafael Nadal musste er einen Satz abgeben. Wie Alcaraz bewies aber auch Tiafoe bewies in den letzten zehn Tagen Nervenstärke: Er gewann all seine sieben Tiebreaks bei den US Open, überließ dabei seinem jeweiligen Kontrahenten mit einer Ausnahme nie mehr als drei Punkte.
Selbstverständlich wird der Entertainer und Publikumsliebling auch vom frenetischen Support der Zuschauer beflügelt. Zwar gilt auch Alcaraz mit seinem aufregenden Spielstil als Fan-Magnet, auf Tiafoes Heimcourt darf er aber kaum auf viel Unterstützung von den Rängen hoffen.
Durchaus eine Rolle spielen könnte in diesem Duell die Fitness. Während Tiafoe, der vom Südafrikaner Wayne Ferrera betreut wird, in seinen fünf Matches insgesamt 1:26 Stunden kürzer arbeiten musste und Andrey Rublev im Viertelfinale in drei Sätzen abfertigte, musste Alcaraz in seiner 5:14 Stunden dauernden Marathon-Partie gegen Sinner zum zweiten Mal in Folge über die volle Distanz, nie zuvor war ein Match in Queens später zu Ende gegangen.
„Es wird verdammt schwer", geht Carlos Alcaraz von einer weiteren harten Schlacht aus. „Frances hat Rafa die einzige Grand-Slam-Niederlage des Jahres zugefügt, jetzt Rublev in drei Sätzen rausgenommen und spielt derzeit ein unglaubliches Tennis. Er hat ein riesiges Selbstvertrauen, liebt die New Yorker Fans und diesen Platz. Ich muss also mein absolut bestes Level abrufen, wie es mir gegen Sinner gelungen ist. Ich glaube jedenfalls an mich."
Vor den teils fanatischen Zuschauern fürchtet sich der Favorit indes nicht. „Die Fans bei den US Open sind wahrscheinlich die besten auf der Welt. Wie sie mich bis um 3 Uhr Früh gepusht haben, war einfach unfassbar."
„Es wird verdammt schwer. Frances hat Rafa die einzige Grand-Slam-Niederlage des Jahres zugefügt."
– Carlos Alcaraz
Frances Tiafoe weiß wiederum, dass er nach den so emotionsgeladenen Erfolgen gegen Nadal und Rublev nicht den Fokus verlieren darf. „Ich habe diese Augenblicke mit den wunderbaren Fans genossen, aber zwei Partien stehen noch bevor - zwei noch", will er die märchenhafte Reise unbedingt über den Freitag hinaus fortsetzen. „Ich habe auch keine Angst vor den Spielern, die noch im Turnier sind. Ich weiß, was ich kann und habe genug Selbstvertrauen."
Die Absenz der Big Three in der Runde der letzten Vier sieht der Underdog als Chance. „Bei diesen Jungs hast du immer gewusst, dass du Probleme bekommen wirst. Jetzt sind wir drei First-Timer im Halbfinale, was den Ausgang wesentlich offener gestalten dürfte."
„Ich habe auch keine Angst vor den Spielern, die noch im Turnier sind."
– Frances Tiafoe
Wettquoten vom 9.9.2022 – 9:15 Uhr – Bitte beachte, dass die Quoten der Buchmacher sich laufend ändern können / Der Quotenvergleich ist nur eine Auswahl der Redaktion / Es gelten die AGB der Anbieter / Wetten erst ab 18+ / Text von 8.9.2022 / Alle Angaben ohne Gewähr
Ähnlich wie im ersten Semifinale zwischen Casper Ruud und Karen Khachanov sind die Quoten der internationalen Wettportale auch im zweiten Vorschlussrunden-Duell gelagert. Durch die Bank zahlen die Anbieter für einen Sieg von Carlos Alcaraz etwa den eineinhalbfachen Einsatz aus, für einen Finaleinzug von Frances Tiafoe gibt's zirka das zweieinhalbfache Geld zurück.
Das Team von tenniswetten.de glaubt aber an ein engeres Match als jenes zwischen dem Norweger und dem Russen. Showman Tiafoe verfügt vielleicht nicht über die gleichen spielerischen Möglichkeiten wie Superallrounder Alcaraz, wird in Queens aber von einer Welle der Euphorie getragen, die in ihm zusätzliche Energie freisetzt. Inzwischen ist der erste amerikanische Semifinalist bei den US Open seit Andy Roddick 2006 auch zu einem eiskalten Closer geworden, der seine Chancen zu verwerten versteht.
Umso wichtiger könnte für Tiafoe werden, Alcaraz' gelegentliche, aber für dessen jugendliches Alter nicht ungewöhnlichen Fehlentscheidungen bei der Shot Selection ausnutzen. Unter dem Strich dürfte das Gesamtpaket des Spanier jedoch den Ausschlag geben, denn vor allem der zweite Aufschlag des US-Powerhitters ist angreifbar. Welche Rolle die Fitness beim Favoriten nach der über fünfstündigen Late Night Session am Mittwoch spielt, wird sich weisen, denn an sich gilt Alcaraz als einer der austrainiertesten Profis auf der Tour.
Unser Tipp:
Alcaraz zieht nach fünf Sätzen ins Finale ein, die Buchmacher von Playzilla bieten für einen 3:2-Sieg des Favoriten die attraktive Wettquote von 5,40 an.
Tobi hat die Halbfinalvorschau Alcaraz - Tiafoe verfasst
Seit 25 Jahren bin ich als Sportjournalist für meinungsbildende überregionale Medien tätig und habe u.a. von Olympischen Spielen, Fußball-Weltmeisterschaften und Tennis-Grand-Slam-Turnieren vor Ort berichtet. Durch die Pressearbeit für nationale Sportverbände und Fernsehsender ist mir zudem auch die PR- und Kommunikationssparte der Branche bestens vertraut. Dem Tennissport fühle ich mich als passionierter Hobbyspieler nicht nur beruflich eng verbunden.
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