Andy Murray: Keine angekündigte Abschiedstour
Nach einem eher ungewöhnlichen operativen Eingriff in die nachhaltig ramponierte Hüfte war Andy Murray immerhin in der Lage, seine bereits beendet geglaubte Karriere zu verlängern. Für einen Rücktritt scheint der dreifache Grand-Slam-Champion, der seit drei Jahren auf einen ATP-Titel wartet, noch nicht bereit zu sein. Und wenn es dann soweit ist, gibt's wohl keine Vorwarnung.
Doppel-Koryphäe gibt entscheidenden Tipp
Anfang 2019 hatte Andy Murray bereits laut über ein Karriereende nachgedacht. Nur drei Tage später lieferte er sich bei den Australian Open mit dem Roberto Bautista Agut unter höllischen Schmerzen eine leidenschaftliche Schlacht und holte unter dem den frenetischen Anfeuerungen der anwesenden Zuschauer einen 0:2-Satzrückstand auf, um dann doch nach über vier Stunden als Verlierer von der Melbourne Arena zu schreiten.
Zuvor hatte eine Hüftarthroskopie nicht zum gewünschten Ergebnis geführt, sondern die jahrelangen Beschwerden sogar noch verschlimmert. Doch dann bekam Murray einen Tipp von Bob Bryan, dem ein seltener operativer Eingriff die Tenniskarriere gerettet hatte: Wie bei der US-Doppelspezialist wurde dem Schotten eine sogenannte Hüftkappen-Prothese eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine lediglich den geschädigten Knorpel ersetzende Teilprothese.
Perfektionismus beibehalten
Fünf Monate später gab es in Doppelbewerben wieder die ersten Annäherungsversuche an das professionelle Turniertennis, in Cincinnati 2019 feierte der dreifache Grand-Slam-Champion schließlich sein Comeback auf der Singles-Tour.
Und drei Jahre später deutete Murray nun an selber Stelle an, einen allfälligen Rücktritt vom aktiven Tennissport nicht vorher ankündigen zu wollen. Er habe in letzter Zeit doch einige Matches gespielt, die er am liebsten vergessen würde, analysierte der 35-jährige Perfektionist nüchtern.
Dies sagte die ehemalige Nummer eins der Welt nach der Zweitrunden-Niederlage bei den Western & Southern Open gegen Landsmann Cameron Norrie.
Abgang in Wimbledon?
Zugleich gestand Murray, vorzugsweise auf britischem Boden von der ATP-Bühne steigen zu wollen. „Das ist ein schwieriges Thema für mich", suchte der zweimalige Wimbledon-Triumphator, der auch den ersten seiner beiden Olympiasiege an der Londoner Church Road holte, offenkundig nach den richtigen Worten.
Dann fügte Murray aber hinzu:
Abschiedstour mental belastend
Die aktuelle Nummer 49 im ATP-Ranking stellt sich ein vorangekündigtes Karriereende auch als psychologisch sehr belastend vor.
Murray hat in diesem Jahr 32 Matches bestritten, davon 19 gewonnen. Für seine eigenen Maßstäbe eine viel zu geringe Siegquote, doch muss sich der Officer of the Order of the British Empire für die Art, wie seine 13 Saisonniederlagen zustande kamen, wohl kaum schämen.
Auf Rasen verlor der 1,91-Meter-Mann aus Dunblane gegen einen in Topform agierenden Matteo Berrettini sowie die beiden Aufschlaggiganten John Isner und Alexander Bublik. Auch das Losglück war ihm nicht immer hold, bei den Masters-Events musste sich Murray stets in frühen Turnierphasen großen Namen wie Novak Djokovic und Daniil Medvedev beugen. Den einzigen Sieg in diesem Jahr über einen Top-20-Akteure bejubelte der 46-fache Titelträger auf der ATP-Tour beim MercedesCup am Stuttgarter Weissenhof gegen Stefanos Tsitsipas.
Deutlicher Aufwärtstrend erkennbar
Nach den kommende Woche beginnenden US Open dürfte Murray sehr selektiv in der Turnierplanung für die Hallensaison vorgehen. Sollte er in Flushing Meadows nicht einen unerwarteten Lauf hinlegen, dürfte ein Ticket für die ATP Finals in Turin jedenfalls außer Reichweite sein.
Ein unmittelbares Karriereende ist aber eher nicht zu befürchten. Der Schützling von Ivan Lendl hat in der Vergangenheit mehrfach bestätigt, weiter aktiv bleiben zu wollen, solange er einen Fortschritt in seinem Spiel verspüre und mit den Besten der Welt mithalten könne. Den letzten Titel hatte Murray 2019 in Antwerpen erobert, doch erreichte er in diesem Jahr in Sydney und Stuttgart jeweils das Finale und machte vor allem einen wesentlich wettbewerbsfähigeren Eindruck als bei seinen sporadischen Auftritten 2021.