Video Review: System debütiert bei US Open

tobi-redaktionTobi
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Technische Innovationen spielen im Tennissport eine zunehmend bedeutendere Rolle. Und bei der Einführung von elektronischen Hilfsmitteln gelten die US Open seit jeher als Vorreiter. In diesem Jahr präsentiert das vierte Grand-Slam-Turnier der Saison den Videobeweis, der das Spiel fairer gestalten und unnötige Diskussionen vermeiden soll.

Electronic Line Calling setzt sich durch

Obwohl sich das Electronic Line Calling während der Coronavirus-Pandemie weitgehend durchgesetzt hat und bei den Profis auch großen Anklang findet (wie TennisWetten.de damals berichtete), bestehen WTA und ATP ungebrochen auf den Einsatz herkömmlicher Linienrichtern bei sämtlichen Sandplatzturnieren. Die Begründung: Auf roter Asche sei bei engen Entscheidungen der Abdruck des Balles durch den Stuhlschiedsrichter ohnehin überprüfbar.

wimbledon tennis ball

Wimbledon

Dass auch Wimbledon dem menschlichen Auge als Kontrollinstanz an den Spielfeldbegrenzungen vertraut, liegt hingegen eher am traditionalistischen Ansatz des Rasenklassikers. Doch könnten die Lines Persons bald auch in London ausgedient haben. Nach einer ganzen Reihe haarsträubender Fehlentscheidungen bei den diesjährigen All England Championships, schreien immer mehr Spieler nach elektronischen Hilfsmitteln für alle Tour-Events sowie den vier Grand Slams.

Videobeweis erstmals auf großer Bühne

Die US Open sind bereits einen Schritt weiter und wollen nun das nächste Level der technischen Assistenz einführen. Wenige Tage vor dem Beginn des letzten Majors des Jahres haben die Organisatoren in New York bestätigt, dem Chair Umpire den Videobeweis zur Verfügung zu stellen, um etwa nachzuprüfen, ob ein Ball vor dem Schlag zweimal aufgesprungen ist.

Solche Dinge sind oft sehr schwer zu erkennen. Ab jetzt können die Schiedsrichter in Ruhe eine Wiederholung der Szene anschauen.", erklärt US-Open-Chefreferee Jake Garner.


Wir hatten in der Vergangenheit schon Situationen, bei denen nach dem Match ein entsprechender Clip aufgetaucht ist und man sich gewünscht hätte, anders entschieden zu haben."

– Jake Garner

Fünf Courts mit neuem System

Der dem Video Assistant Referee im Fußball nachempfundene Video Review beim Tennis soll unabhängig vom Electronic Line Calling auf fünf der 17 Plätze des USTA Billie Jean King National Tennis Centers in Queens installiert werden: Auf dem Arthur Ashe Stadium, dem Louis Armstrong Stadium, dem Grandstand sowie auf den Courts 5 und 17. Auf diesen Plätzen finden etwas mehr als 50 Prozent aller Einzelmatches bei Damen und Herren statt. Laut Garner soll nach dem Turnier evaluiert werden, ob das System 2024 erweitert wird.

arthur-ashe-stadium-new-yorkIm Arthur Ashe Stadium kommt der Videobeweis ebenfalls zum Einsatz.MehrWeniger

Ich war nie ein großer Fan von zu viel Technologie im Tennis", gesteht Andy Roddick in seiner Kolumne für das Glückspielunternehmen Betway. Doch zuletzt hätten sich die Fehlentscheidungen gehäuft und als Spieler sei man ja ohnehin schon sehr mit dem Match und sich selbst beschäftigt, so der US-Open-Champion von 2003.

Die Dynamik und das Momentum können wegen einem schlechten Call des Schiedsrichters komplett kippen. Über solche Dinge willst du aber wirklich nicht nachdenken, wenn du dich auf den nächsten Return vorbereitest."
– Andy Roddick

Bekannte Challenge-Regel

Bei der diesjährigen, am 28. August startenden 143. Auflage der US Open gibt es für die Spieler im Einzel, Doppel und Mixed drei Challenges pro Satz, um zweimalige Ballaufsprünge, schwer erkennbare Körpertreffer, Netzberührungen und Störrufe im Ballwechsel nachprüfen zu lassen. Liegen die Akteure richtig, behalten sie ihre Challenge, im Tiebreak gibts eine zusätzliche.

Ich habe diese Einführung schon seit einiger Zeit gefordert und freue mich daher, dass die US Open damit beginnen", sagt Kanada-Siegerin Jessica Pegula, vergangenes Jahr in Roland-Garros gegen die Weltranglistenerste Iga Swiatek selbst Leidtragende, nachdem die Polin einen Ball nach zwei Aufsprüngen zum Punktgewinn zurückgespielt hatte.

Der Video Review wird sowohl für uns auf dem Platz als auch für die Fans großartig sein."
– Jessica Pegula

US Open gehen wieder voraus

Bei technischen Innovationen haben die US Open seit jeher eine Vorreiterrolle eingenommen. So war das Spätsommer-Highlight in Flushing Meadows 2006 das erste Grand-Slam-Turnier mit Electronic Line Calling, 2018 das erste mit einer Shot Clock für den Aufschlag und 2022 das erste, das während des Matches die Kommunikation zwischen Aktiven und Spielerbox erlaubte.

hawk-eye-tennis-1024x573Die Linientechnologie, das Hawk Eye, wird bereits seit 2006 in New York eingesetzt.MehrWeniger

Getestet wurde der Video Review bisher bei kleineren Veranstaltungen wie dem ATP Cup in Australien und den Next Gen Finals in Mailand, auf der WTA-Tour gab es noch keinen Versuch mit dem neuen System. „Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung", outet sich auch US-Blitzaufschläger Chris Eubanks als Fan der elektronischen Supports. „Wir haben ja die Technologie. Warum sollten wir sie dann nicht nutzen?"

Djokovic-Disqualifikation als Präzedenzfall

Ein weiteres Element des Videobeweises wurde bereits 2021 angewandt, aber erst in diesem Jahr offiziell ins Regelwerk eingetragen: Sollte eine Aktion eines Spielers in eine potenzielle Disqualifikation münden können, wie zum Beispiel jener Vorfall um Novak Djokovic 2020, bei dem er wutentbrannt den Ball wegschleuderte und eine Linienrichterin am Hals traf, kann das System herangezogen werden. Die Situation war damals übrigens auch ohne Fernsehbilder klar ersichtlich, der Serbe wurde aus dem Turnier ausgeschlossen.

Auf den Video Review angesprochen, waren sich zahlreiche Profis der Neuerung gar nicht bewusst, standen ihm aber durchwegs positiv gegenüber. „Es macht absolut Sinn", meint die Französin Caroline Garcia. „Siehst du einen Double Bounce, der nicht geahndet wird, kann es echt frustrierend sein. Es ist doch viel besser, die Szene sofort zu checken als sich im Nachhinein ärgern zu müssen."

Videoschiedsrichter suchen beste Sequenz aus

infoBei einer Challenge werden zwei Videoschiedsrichter den besten Ausschnitt an den Screen des Chair Umpires und den großen Vidiwalls in der Arena senden. Der Unparteiische hat dann drei Möglichkeiten:

  1. die ursprüngliche Entscheidung zu bestätigen,
  2. sie zu revidieren oder
  3. sie aufgrund dessen beizubehalten, dass das Bildmaterial keine klare Aufschlüsselung gibt.

Viele Leute meinen, es gehe im Tennis um Tradition und es sei immer schon so gewesen", weiß Roddick, der sogleich die passende Antwort darauf parat hat. „Stimmt, aber früher haben wir uns auch VHS-Filme im Videoverleih geholt. Die Dinge entwickeln sich weiter, jetzt haben wir bessere Technologien." Er selbst habe jedenfalls nicht das Gefühl, etwas zu versäumen, wenn jedesmal die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Spieler haben es selbst in der Hand

Da die Akteure selbst die Challenge nehmen können, sollten Wahrnehmungsunterschiede möglichst reduziert, wenn nicht sogar völlig eliminiert werden. „Solltest du der Meinung sein, dass die Entscheidung falsch war, nimmst du einfach die Challenge", sagt Jordan Thomson. „Dann gibt es auch keine Diskussionen mehr."

Der Australier weiß, wovon er spricht. Vor zwei Jahren verlor er beim Vorbereitungsturnier in Washington im letzten Game des Matches einen Punkt, obwohl sein Gegner den Ball erst berührt hatte, nachdem er zweimal aufgesprungen war. Bei einer ähnlichen Szene im Juni in Paris profitierte Holger Rune. „Schiedsrichter machen Fehler - einige zu meinen Gunsten, andere zu meinen Ungunsten", kommentierte der dänische Jungstar im Anschluss die Situation lapidar. „That's life." Bei den US Open wird das Leben jetzt ein wenig fairer.

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Autor: Tobi
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