Die Big Three? Der Big One!
Novak Djoković stellte in diesem Jahr eindrucksvoll unter Beweis, dass er Rafael Nadal und Roger Federer sportlich längst überflügelt hat und die Big Three inzwischen der Vergangenheit angehören. In Abwesenheit seiner beiden Dauerrivalen könnte der Weltranglistenerste beim bevorstehenden US Open auch mit nackten Zahlen untermauern, endlich als Bester aller Zeiten anerkannt zu werden.
Djoker zieht Fedal davon
Seine treuesten Fans bringen es in den sozialen Medien seit Jahren zum Ausdruck. Und die Fakten geben ihnen recht: Im virtuellen Rennen um denBeim vermutlich wichtigsten Indikator, der Anzahl an Grand-Slam-Titeln, hat der Serbe, der Anfang des Jahres noch bei 17 Triumphen hielt, mit Roger Federer und Rafael Nadal gleichgezogen. Dass er nach dem US Open seine Major-Sammlung auf 21 erweitern und so den historischen Kalender-Slam einfahren kann, ist keineswegs garantiert. Doch nicht nur weil seine Dauerrivalen verletzungsbedingt in New York fehlen werden, zieht der Weltranglistenerste gerade dem Pulk davon, ohne je wieder zurückblicken zu müssen.
Major-Siege auf Terrain der Rivalen
Vor dem French Open stellten sich noch mehrere Szenarien (Tenniswetten.de berichtete). Nadal galt als uneingeschränkter Favorit, im virtuellen G.O.A.T.-Rennen mit 21:20:18 die Spitze zu übernehmen. Indes schien Federer vor Wimbledon wieder seinen maximalen Fitnesslevel erreichen zu können und hoffte, die Bilanz auf 21:21:18 zu korrigieren. Doch seit dem Beginn des Sommers ist jede Menge geschehen.
Djoković legte in Roland Garros eine der besten Performances in seiner gesamten Karriere auf den Court und krönte sich zum einzigen Tennisprofi, der auf dem Weg zum 19. Grand-Slam-Titel den unumstrittenen Sandplatzkönig mehr als einmal auf dessen geliebten Terre Battue bezwingen konnte.
Federer wiederum quälte sich wenige Wochen später mit seinem neuerlich beleidigten Knie ins Wimbledon-Viertelfinale, wo er im Polen Hubert Hurkacz seinen Meister fand, während der serbische Superallrounder mit nur zwei verlorenen Sätzen im gesamten Turnierverlauf zu seinem sechsten Triumph an der Londoner Church Road flog.
Sportlich bereits der Größte
Unter dem Strich sprechen die sportlichen Fakten aber ganz klar für den Belgrader. So liegt er in der absoluten Zeit an der Weltranglistenspitze inzwischen deutlich voran. Auch die Fähigkeit, seine größten Rivalen in deren natürlichen Lebensraum zu dominieren, untermauert seinen Führungsanspruch. Nadal in Roland Garros auszupowern und Federer in Wimbledon zu überrollen, gelingt ihm in einem nicht weitaus höheren Ausmaß, als umgekehrt dem Spanier oder dem Schweizer selbiges in Melbourne.
Verletzungen bei Nadal und Federer häufen sich
Ein eindeutigeres Indiz für das nahende Ende der Big Three und einem Beginn der Ära des Big One stellt die Verwundbarkeit von Nadal und Federer dar. Um seine psychische Gesundheit und körperlichen Ressourcen zu konservieren, sagte der Mallorquiner, ein Jahr älter als Djoković, sowohl seine Teilnahme beim US Open 2020 als auch beim diesjährigen Wimbledon-Turnier aber. Die chronische Fußverletzung zwingt ihn nun auch, für das am 30. August beginnende US Open zu passen.
Einen Champion abzuschreiben, der mehrfach von den Toten auferstanden ist und nicht müde wird, seiner Leidenschaft auf höchstem Level nachzueifern, wäre jedoch sicherlich unklug. Niemand solle allerdings von ihm erwarten, 15, 16 oder mehr French-Open-Titel zu erringen, erklärte Nadal fast resignierend nach seiner Niederlage in Paris, wo man ihn möglicherweise erstmals überhaupt auch physisch geschlagen erlebt hatte. Bei der Auflage 2022 wird der Linkshänder bereits 36 Jahre alt sein, jenes Alter, mit dem Federer sein letztes Major 2018 in Melbourne gewann.
Nadal gibt das Ende seiner Tennissaison auf Instagram bekannt.
Direkter Vergleich spricht für den Serben
Der „Maestro" zählt indes bereits stolze 40 Lenze. Und nachdem er unlängst verkündete, aufgrund einer weiteren Knieoperation die kommenden Monate abermals aussetzen zu müssen, ist ungewiss, ob er überhaupt noch auf die Tour zurückkehren kann. Federer selbst geht mit dem Thema offen und bodenständig um. Er wisse aus vergangenen Erfahrungen, wie hart der Weg ist, wolle die Möglichkeit aber nicht von vorne herein verwerfen. Doch selbst wenn er wieder die große Bühne des Sports betreten könnte, sind Zweifel angebracht, ob es für die wichtigsten Titel noch reicht.
Im Vergleich zu seinen zwei größten Konkurrenten offenbart Djoković hingegen kaum Abnutzungserscheinungen. In den vergangenen sechs Jahren wurde der 85-malige Turniersieger von Federer nur zweimal bezwungen, jeweils in Gruppenspielen bei den Londoner ATP-Finals. Der letzte Erfolg des Baselers gegen den Wahl-Monegassen auf Grand-Slam-Ebene datiert auf das Wimbledon-Semifinale 2012 zurück. Die folgenden sechs Duelle bei Major-Events verlor Federer, vier davon im Finale, zwei in der Vorschlussrunde. Gegen Nadal liest sich die Bilanz etwas ausgewogener, dennoch gingen vier der jüngsten fünf Grand-Slam-Begegnungen an Djoković.
Auch Federer wendet sich über Instagram an seine Fans.
Wann ruft Next Gen Potenzial ab?
Die gefährlichsten Widersacher in naher Zukunft dürften eher unter der Next Gen zu finden sein. In den bisherigen drei Major-Showdowns 2021 wurde die Nummer eins der Welt von Daniil Medvedev in Melbourne, Stefanos Tsitsipas in Paris und Matteo Berrettini in London gefordert, bei den Olympischen Spielen beendete ein nicht nur spielerisch bestens aufgelegter Alexander Zverev den Goldtraum des Serben bereits im Semifinale.
„Ich würde uns nicht mehr als die neue Generation bezeichnen", stellte Tsitsipas in Wimbledon klar. „Wir sind hungrig und wollen diese Dinge auch erleben. Man braucht nicht extra präzisieren, dass wir diejenigen sind, die Djoković stoppen sollen. Wir wissen, dass es schwer wird. Er ist momentan einfach der Beste." Medvedev stimmt dem Griechen zu: „Sein Niveau ist unglaublich. Mich würde es nicht wundern, wenn er in diesem Jahr wieder Geschichte schreibt."
– Tsitsipas glaubt, dass eine Wachablöse nicht so bald kommen wird.
Kalender-Slam als ultimatives Ziel
Nadal und Federer haben Djoković zweifellos als Tempomacher auf seinem Streben nach Perfektion gedient, die langjährige Rivalität pushte den Modellathleten in ungeahnte Sphären. Vor zehn Jahren hielt er noch bei zwei Grand-Slam-Erfolgen, Federer hatte 16, Nadal zehn. Betrachtet man nur die abgelaufene Dekade mit ihren 40 Majors stehen die Zahlen bei 18:10:4 zu Gunsten des Jüngsten. Seit er in Wimbledon 2018 eine zweijährige Titeldürre bei Majors überwand, lautet die Bilanz 8:3:0.
Und wenig spricht in Flushing Meadows gegen Djoković, der seit dem verlorenen Bronze-Match gegen Pablo Carreño Busta beim olympischen Tennisturnier seine ganze Konzentration und Energie in die Vorbereitung auf das New Yorker Spätsommerspektakel gelegt hat. Denn Roger Federer und Rafael Nadal können das US Open nur vor dem Fernseher verfolgen. „Mein Ziel ist es, die erste Woche zu überstehen und dann mit jedem Spiel mehr Selbstvertrauen zu gewinnen", gibt sich Djoković vorsichtig optimistisch. Ein Optimismus, der seine Rivalen aktuell nicht einmal ansatzweise möglich ist.