Djokovic holt bei French Open 23. Grand-Slam-Titel
Mit dem Triumph bei den French Open avancierte Novak Djokovic nicht nur zum Major-Rekordsieger, der Serbe ist auch der erste Tennisprofi, der dreimal den Karriere-Slam erringen konnte. Dass der Serientäter diese Meilensteine in einer Ära setzte, die von zwei weiteren Allzeit-Ikonen geprägt wurde, macht sein Vermächtnis umso bemerkenswerter.
Brady und Zlatan im Team Nole
Fast besessen hatte er zwei Jahrzehnte lang die Meilensteine seiner zwei größten Rivalen gejagt. Am Sonntag zog Novak Djokovic im Rennen um die meisten Grand-Slam-Titel - wohl endgültig - an Rafael Nadal und Roger Federer vorbei.
Dass Tom Brady und Zlatan Ibrahimovic im historischen Finale auf der Tribüne des Court Philippe-Chatrier saßen und dem Serben die Daumen drückten, kann durchaus als Botschaft an die Konkurrenz verstanden werden. Denn immerhin hatten die zwei Ikonen anderer Sportarten noch im Alter von 43 respektive 40 Jahren den Super Bowl in der NFL bzw. den Scudetto in der italienischen Serie A gewinnen können.
New level unlocked 🔓@DjokerNole is back on top of the men's leaderboard.#RolandGarros pic.twitter.com/83t4CXrw75
- Roland-Garros (@rolandgarros) June 11, 2023
Nummer eins zerbricht am großen Namen
Mit dem vielleicht signifikantesten, Karriere krönenden Erfolg beim 7:6 (1), 6:3, 7:5 über Casper Ruud in Roland-Garros dürfte der 36 Lenze zählenden Djokovic noch lange nicht am Ende seiner rekordträchtigen Reise sein. Sein Sieg bei den French Open war um keinen Deut weniger überzeugend als alle anderen davor errungenen Grand-Slam-Titel. Diesmal standen ihm zwar weder Nadal noch Federer gegenüber, er musste auch nicht einen seiner berüchtigten Fünfsatz-Epen für den Triumph darbieten.
Doch stellten sich Djokovic immerhin drei wesentlich jüngere Widersacher aus den Top 11 in den Weg, darunter die Nummer eins Carlos Alcaraz und der Weltranglistenvierte Ruud. Obwohl der Spanier im Semifinale aufgrund von Krämpfen nicht sein ganzes Potenzial abrufen konnte, dürften diese körperlichen Schwächen allein durch die schiere Präsenz des Belgraders auf der anderen Seite des Netzes hervorgerufen worden sein.
Holpriger Finalstart
Ruud schien im Finale hingegen nicht unter dieser ehrfurchtsvollen Anspannung zu leiden. Der Norweger traf den Ball sauber und zwang seinen zunächst überraschten Gegenüber, sich nach dessen extrem hochspringenden Grundschlägen zu strecken. Letztlich spornten die Anstrengungen des Herausforderers den Favoriten an, eine weitere seiner gefürchteten Vintage-Performances auf einer der größten Bühnen des Tennissports hinzulegen.
Fast alle Markenzeichen eines bedeutenden Djokovic-Sieges kamen in diesen 3:13 Stunden zum Vorschein. Die Nummer drei der Setzliste wütete, griff sich an die Beine, rutschte aus, bewegte sich schleppend zwischen den Punkten und diskutierte mit dem Stuhlschiedsrichter, den Spielern in den Wechselpausen gefälligst mehr Zeit zu geben.
Einmal mehr schaltete Djokovic in den Überlebensmodus. Bei 4:5 und 0:30 war er nur zwei Punkte vom Satzverlust entfernt, verkürzte dann aber die Rallyes mit plötzlichen Netzangriffen und holte vier Punkte im Folge. In seinem sechsten Tiebreak im Turnierverlauf ließ er ebenso wenig anbrennen wie in den fünf vorangegangen.
12 der letzten 13 Punkte
Mit der Führung wurde der Arm des inzwischen 94-fachen Turniergewinner sichtlich lockerer, nachdem er im ersten Durchgang Ruud noch regelrecht niedergerungen hatte. Nach und nach entschärfte Djokovic die bisher so effektive Topspin-Waffe des dreifachen Grand-Slam-Finalisten, der die Vorhand schließlich auf Drive und die Rückhand auf Slice umstellte - eine weitgehend wirkungslose Änderung.
Im dritten Satz hielt Ruud seinen Aufschlag zum 5:4 und scheint für einen Augenblick wieder das Momentum zurückzudrehen. Und wie reagierte Djokovic? Der schaltete auf selbstbewusste Closer-Mentalität, gewann zwölf der nächsten 13 Punkte, viele davon mit kraftvollen, langen Grundschlägen, die er den ganzen Nachmittag schon verteilt hatte und eroberte seine dritte Coupe des Mousquetaires.
Am stärksten, wenn's drauf ankommt
Mit der Aufgabe zu wachsen, ist eine besondere Gabe, die Djokovic mit zunehmender Erfahrung entwickelt hat. Von seinen ersten 16 Grand-Slam-Finals gewann der Superallrounder die Hälfte, von den anschließenden 18 Major-Endspielen 15. In diesem Jahr holte er drei Titel, zwei davon bei Grand Slams. Weil er den Fokus stets auf die Höhepunkte richten kann, wäre es auch kaum verwunderlich, wenn er nur noch zwei Turniere in dieser Spielzeit gewinnt, in Wimbledon und bei den US Open.
Seine Sandplatz-Saison vor Roland-Garros verlief gelinde formuliert durchwachsen, auch in der ersten Woche von Paris wirkte der nunmehr 23-fache Major-Champion weit weniger stabil als in vergangenen Jahren. Im Viertelfinale war Karen Khachanov zwei Sätze lang der klar bessere Spieler, Djokovic rettete sich aber ins Tiebreak des zweiten Durchgang, entschied diesen mit 7:0 für sich und brach den Widerstand des Russen.
French Open schwierigstes Major
Der Wahlmonegasse dominiert keineswegs immer und überall, aber er gewinnt, wenn es darauf ankommt. Solange dieser Hunger nicht gestillt ist, kann man nicht von einem Leistungsabfall sprechen - ebenso wenig von einer lange herbeibeschwörten Zeitenwende, denn Wachablösen erfolgen nunmal bei Grand Slams, nicht auf der regulären ATP-Tour.
Endgültig der Größte aller Zeiten?
Ob die GOAT-Debatte über den größten Tennisspieler alle Zeiten jetzt beendet ist? Was die rein sportlichen Errungenschaften betrifft, lässt sich die Frage eindeutig mit Ja beantworten. Djokovic holte nicht nur die meisten Grand-Slam-Titel, er ist auch der einzige Profi, der jedes Major zumindest dreimal gewinnen konnte.
Sowohl gegen Roger Federer (27:23) als auch gegen Rafa Nadal (30:29) weist der Entfesselungskünstler eine positive Head-to-Head-Bilanz auf. Gegen Casper Ruud hat er im Übrigen von fünf Matches alle gewonnen. Auch bei allen neun Masters-Stationen verzeichnete der Rechtshänder zumindest zwei Turniersiege, was den anderen zwei Mitgliedern der Big 3 nicht gelang. Auch an seine insgesamt 38 Titel bei diesen ATP1000-Events kommt niemand heran.
Was kommt noch?
Am Montag kehrte Djokovic an die Spitze der Weltrangliste zurück, seine 388. Woche als Nummer eins. Federer als erster Verfolger saß 310 Wochen am ATP-Thron. Insofern mutet es fast absurd an, dass er eine weitere Coupe des Mousquetaires stemmen musste, um die historischste aller Fragen im Tennissport zu klären.
Nach dem Match stellte sich Nadal als einer der ersten Gratulanten ein. „23 war eine Zahl, an die man noch vor wenigen Jahren unmöglich denken konnte. Und du hast es geschafft", postete der Mallorquiner auf Twitter. Doch Djokovic hat immer an eine Karriere ohne Grenzen geglaubt, wie er am Sonntag wiederholte. Und er weiß bestimmt, dass noch wesentlich mehr möglich ist.