Familie Korda: Eine Frage der Gene
Als Tennisprofi war Petr Korda der Golfsport einst herzlich egal. Mit freundlicher Unterstützung seines prominenten Mentors stießen die Töchter dennoch in die Weltspitze vor. Der Jüngste kommt hingegen ganz nach dem Papa - auch das war nicht geplant. Doch plötzlich gilt Sebastian als größte Hoffnung des schwer angeschlagenen US-Herrentennis.
Nelly Nummer eins im Frauengolf
Dass Nelly Korda über ein feines Händchen verfügt, kristallisierte sich früh heraus. Mit 9 gewann sie in Tschechien gleich das erste Golfturnier, bei dem sie jemals angetreten war, für den Sieg wurde die Grundschülerin skurrilerweise mit einer Flasche Champagner prämiert.
In ihrer anderen Heimat darf die bald 23-Jährige auch noch nicht lange Sprudelwein schlürfen, obwohl sie erst vor einer Woche durch ihren Triumph beim PGA Championship, ihrem premieren Major-Titel, die Führung in der Weltrangliste übernahm - als erste Amerikanerin seit 2014.
Nelly Korda dokumentiert ihren Weg zum Sieg auf Instagram.
Jessica seit zehn Jahren ein Star
Nie weit weg von Nelly hält sich ihr größtes Vorbild, ihre beste Freundin, ihre schärfste Konkurrentin auf: Schwester Jessica zählt ebenfalls zu den Superstars der prestigeträchtigen LPGA Tour. Die Nummer 13 der Welt hat sich bereits vor zehn Jahren auf der lukrativsten, an sich von Koreanerinnen dominierten Veranstaltungsreihe im Frauengolf etabliert und mittlerweile rund 6,4 Millionen Dollar an Preisgeld eingespielt.
Nach ihrem Wechsel zu den Profis offenbarte sich aber schnell, dass die Jüngere der beiden über das feinere Händchen verfügt. Wie die Schwester ein blonder Hingucker mit den endlos langen Beinen und penibel geflochtener Mähne, ließ Nelly bei ihrem Tour-Debüt 2017 auf den Bahamas mit Rang 5 auf Anhieb Jessica hinter sich. „Ich habe mir immer gewünscht, dass sie mich eines Tages besiegt", zeigte sich die um fünf Jahre ältere Korda danach fast erleichtert. „Als wir aufwuchsen, erschien das so unrealistisch."
– Jessica über ihre jüngere Schwester Nelly.
Eltern erfolgreiche Tennisspieler
Familien mit größerer sportlicher Veranlagung als die Kordas lassen sich wohl nur schwer finden. Vater Petr galt am Tenniscourt als begnadeter Linkshänder, 1998 gewann er bei den Australian Open seinen einzigen Grand-Slam-Titel.
Obwohl Ehefrau Regina Rajchrtová, die der einstige Weltranglistenzweite seit frühester Kindheit kennt, weit weniger erfolgreich war, attestiert ihr Petr das größere Talent. Doch mit 19 stürzte Regina in der Umkleidekabine und zertrümmerte ihre Kniescheibe. Ärzte fürchteten, dass sie nie wieder würde gehen können. Eine Fehleinschätzung, 1991 stand die Olympiateilnehmerin - quasi auf einem Bein - an Position 26 im WTA-Ranking.
Lendl verführt Töchter zum Golf
Petr hatte sich indes im Schatten von Ivan Lendl in der damaligen Tschechoslowakei an die Weltspitze gekämpft. Er erinnert sich gut daran, wie ihm sein acht Jahre älterer Mentor, der sich später selbst als Golfprofi versuchte, das Gentlemen's Game schmackhaft machen wollte. „Aber ich habe immer gesagt, Golf ist für Tote." Mittlerweile leben die beiden Familien in Florida Tür an Tür, Jessica und Nelly wurden gemeinsam mit Marika, Isabelle und Daniela Lendl in der Golfakademie des achtmaligen Grand-Slam-Siegers geschliffen.
– Zu Beginn zeigte sich Petr Korda nicht begeistert vom Gentlemen's Game.
Korda-Slam in Australien
Auf den Spuren des Vaters wandelt hingegen der jüngste Korda. Sebastian gilt als hoffnungsvollste Aktie des schwer in den Seilen hängenden US-Herrentennis.
Vielversprechende Wimbledon-Performance
Seither zeigte Sebastians Entwicklung stets Richtung Norden. Vor zwei Jahren noch jenseits der 500 im ATP-Ranking, reiste des 1,96 Meter große Schlaks, der im Mai seinen ersten ATP-Titel in Parma holte, als Nummer 50 der Welt nach Wimbledon an.
Verlassen wird er den All England Club mit einer wesentlich besseren Weltranglistenplatzierung. Denn im Achtelfinale, das er im Vorjahr auch schon bei den French Open erreicht hatte, lieferte sich Sebastian eine regelrechten Nervenschlacht mit dem um 21 Positionen besser klassierten Russen Karen Chatschanow, musste sich zu seinem 21. Geburtstag aber letztlich mit 8:10 im Entscheidungssatz geschlagen geben.
- Sebastian Korda (@SebiKorda) July 2, 2021
In guter Gesellschaft: Mit seiner Wimbledon-Performance tritt Sebastian Korda in große Fußstapfen.
Töchter nicht zum Tennis zu bringen
An sich wollte Petr ja nie, dass eines seiner Kinder Tennisprofi wird. Jessica war auch bald klar, für den Sport ungeeignet zu sein. „Ich habe nicht gerne geschwitzt und mochte auch das Laufen nicht. Und beides ist im Tennis ziemlich wichtig." Und Nelly? „Obwohl sie Tennis, Turnen und Ballett probierte, hatte sie nie wirklich die Chance, einen anderen Weg einzuschlagen", lacht Mama Regina. „Sie hat immer zu Jess aufgeschaut und versucht, ihr nachzueifern."
– Jessica Korda über die Gründe, warum sie sich statt für Tennis für den Golfsport entschieden hat.
Petr war stets bemüht, die so schwierige Balance bei der Förderung seiner Kids zu finden. Mit 13 überstand Jessica als jüngste Spielerin aller Zeiten den Cut eines Europa-Tour-Events. Ihren Turnierplan hielt Petr dennoch schlank, die Sommer verbrachte sie bei der Verwandtschaft in Tschechien.
Nur drei Geschwisterpaare mit LPGA-Titeln
Auch Nelly durfte in den Ferien am Pool chillen und mit den Jungs kicken. Trotzdem qualifizierte sie sich schon mit 14 für das US Open, war damit ein Jahr jünger als Jessica bei ihrer Premiere.
Nelly verzeichnete mit dem Titel der PGA Championship in Atlanta ihren bereits achten Turniersieg im Profizirkus, Jessica hält bei sechs Erfolgen auf der hochdotierten US-Damen-Tour - obwohl sie vor drei Jahren eine qualvolle Tortur über sich ergehen lassen musste: Jahrelang hatte die 1,80 Meter große Longhitterin aufgrund eines Überbisses an Kopfschmerzen, Schlafapnoe und Krämpfen in der Gesichtsmuskulatur gelitten. Zur aufwendigen chirurgischen Korrektur mussten ihr Nase, Ober- und Unterkiefer gebrochen werden, 27 Schrauben hielten ihr Gesicht zusammen. Nur zwei Monate nach der Operation gewann Jessica den LPGA-Titel in Thailand.
Papa hält sich im Hintergrund
Bei aller Freude über die Werdegänge seiner Kinder hält sich der frühere „Daddy Caddie" am liebsten im Hintergrund. Vielleicht, weil er die richtigen Lehren aus dem eigenen Überehrgeiz gezogen hat. Wenige Monate nach seinem größten sportlichen Erfolg in Melbourne wurde Petr Korda in Wimbledon positiv auf das Steroid Nandrolon getestet und kehrte nie wieder auf die Tour zurück.
Auch Sebastians Lauf in der ersten Woche an der Londoner Church Road verfolgte er von der Wohnzimmercouch aus zu Hause in Bradenton. „Unsere Eltern sind einfach verdammt stolz auf uns", weiß Jessica. „Und dass sie nicht ständig an uns kleben, gibt uns die Möglichkeit zu wachsen und unsere eigenen Fehler zu machen."
– Jessica Korda über ihre Eltern, die sich unterstützend im Hintergrund halten.