Experten sprechen von der endgültig vollzogenen Zeitenwende: Seit den Viertelfinals in New York steht fest, dass die US Open 2022 einen neuen Grand-Slam-Champion küren werden. Denn mit Daniil Medvedev, Marin Cilic und Rafael Nadalverabschiedeten sich in der Runde davor die letzten drei Spieler, die in der Vergangenheit bereits Major-Titel errungen haben. Die Rollen im ersten Halbfinale sind aber trotzdem klar verteilt.
Dass Karen Khachanov erstmals um das Endspielticket bei einem der vier größten Events des Jahres spielen darf, überrascht doch sehr. Einst Nummer acht der Welt, konnte der Russe in dieser Saison einzig beim Auftaktturnier in Adelaide das Finale erreichen, der letzte seiner vier ATP-Triumphe liegt schon vier Jahre zurück. Und auch vor den US Open verbuchte Khachanov am nordamerikanischen Hardcourt-Swing mehr Niederlagen als Siege.
Ganz anders verlief die Saison von Casper Ruud. Nachdem sich der Norweger unmittelbar vor dem ersten Hartplatz-Major des Jahres in Melbourne verknöchelt hatte und seine Teilnahme kurzfristig absagen musste, drang er in Roland Garros in sein premieres Grand-Slam-Finale ein. Dazwischen hatte der 23-Jährige die Sandplatz-Titel in Buenos Aires, Genf und Gstaad abgeräumt, beim US-Open-Warmup in Montreal schaffte er es immerhin ins Semifinale.
Das Rendezvous zwischen den beiden Semifinalisten von Flushing Meadows stellt das erst zweite Aufeinandertreffen dar. Das erste Duell entschied Casper Ruud 2020 in Rom in drei Sätzen für sich, in Anbetracht der sich deutlich unterscheidenden Beläge, des anderen Spielformats und der seither verstrichenen Zeit hat jene Masters-Begegnung aber wohl kaum Aussagekraft für die Partie am Freitag. Und die in der Regel sehr aktiven New Yorker Zuschauer dürften sich diesmal relativ neutral verhalten, gelten doch beide Spieler nicht unbedingt als Entertainer auf dem Platz.
Was spricht für US Open Halbfinalsieg von Karen Khachanov?
Die historische Bilanz von Karen Khachanov bei den US Open war vor dem Turnier durchaus ausbaufähig. Bei seinem ersten Versuch scheiterte er in der Qualifikation, von den darauffolgenden sechs Antreten war dreimal in Runde eins Schluss. Dennoch hat der olympische Silbermedailleur von Tokio einen signifikanten Vorteil gegenüber seinem Rivalen: den Boden.
Khachanov hat alle seine sechs bisherigen Tour-Finals auf Hardcourt bestritten, selbst die drei - jeweils verlorenen - Doppel-Endspiele mit Partner Andrey Rublev gingen auf festem Untergrund über die Bühne. Davor hatte der in Dubai lebende Moskauer sieben Turniere auf Challenger- bzw. Future-Ebene gewonnen, sechs davon auf Hartplatz.
Diese Schlagseite verwundert beim Spielstil der Nummer 31 der Welt wenig. Mit seinem Brachial-Service kann der 27-Jährige, der auch mit dem guten zweiten Aufschlag Druck zu erzeugen vermag, die Rallyes diktieren und geht mit seiner mächtigen Vorhand gerne auf den direkten Punktgewinn. Speziell auf schnellen Böden zieht er aus seiner Körpergröße von 1,98 Metern Kapital und macht mit extrem flachen Drives enormes Tempo.
In der über die volle Distanz ausgetragenen Viertelfinalschlacht gegen Wimbledon-Finalist Nick Kyrgios kehrte Khachanov eine bislang wenig gekannte Qualität hervor. Der Rechtsausleger fand nach kurzen Rückschlägen stets die richtige Antwort, ließ sich von seinem Intimfeind auf der anderen Platzseite nicht aus der Ruhe bringen und legte eine erstaunliche mentale Reife an den Tag, die im Best-of-Five-Format auch dringend gefordert ist.
Was spricht für US Open Halbfinalsieg von Casper Ruud?
Während Khachanovs Karriere in den letzten Jahren eher im Rückwärtsgang verlief, zählt Casper Ruud zu den aufstrebenden Sternen auf der Tour. Zweifellos verfügt der Mann aus Oslo über das komplettere Spiel als sein Gegenüber. Der Weltranglistensiebente versteht es stets, geduldig auf seine Chance zu warten, begeht nur wenige unerzwungene Fehler und weist kaum Schwachpunkte auf.
Selbst wenn er nur einen seiner bisher neun ATP-Titel auf Hardcourt bejubelte, darf man Ruud nicht als reinen Sandplatzwühler abstempeln, zumal er im Frühjahr beim Masters in Miami im Finale stand. Und wer die Chance hat, am Montag nach den US Open die Spitzenposition in der Weltrangliste zu übernehmen, muss auf allen Belägen bestehen können.
Dass der Sohn des Ex-Profis Christian Ruud im Verlauf des Turniers insgesamt 48 Minuten länger auf dem Platz stand als sein Kontrahent, wird angesichts der zwei freien Tage vor dem Semifinale keine Rolle spielen. Sehr wohl könnte aber das Wetter einen Faktor darstellen, wie im Viertelfinale gegen Matteo Berrettini zu bemerken war. Bei geschlossenem Stadiondach erhöht sich die Luftfeuchtigkeit, verlangsamt den Platz und würde Geduldspieler Ruud gegen Powerhitter Khachanov mehr Zeit für seine Schläge verleihen.
„Für mich ist es wieder ein Schritt in die richtige Richtung", zeigte sich Karen Khachnov naturgemäß glücklich über das Erreichen seines ersten Grand-Slam-Halbfinales. „Dafür musste ich immerhin Nick schlagen, der aktuell wahrscheinlich das beste Tennis seiner Karriere spielt." Doch denkt der Underdog bereits an eine Verlängerung seines New-York-Aufenthalts. „Je weiter du kommst, desto höher werden deine eigenen Erwartungen. Seit Rafa ausgeschieden ist, sehen alle im Turnier verbliebenen Spieler die große Chance, den Titel zu holen. Allein dadurch steigt das Niveau der Matches."
„Seit Rafa ausgeschieden ist, sehen alle im Turnier verbliebenen Spieler die große Chance, den Titel zu holen."
– Karen Khachnov schielt bereits auf den Titel.
Indes will es Casper Ruud taktisch angehen. „In Best-of-Five-Matches gibt es immer Aufs und Abs. Inzwischen habe ich gelernt, bei großem Rückstand auch einmal einen Satz durchlaufen zu lassen, um Energie für den Rest der Partie zu sparen", erklärt der Favorit, der sein erstes Masters-Finale als Türöffner für die US Open sieht. „Miami war sicher ein Schub für mein Selbstvertrauen. Dort habe ich mir selbst bewiesen, dass ich auch auf Hardcourt Topspieler schlagen kann. Und ganz fremd ist mir Hartplatz ja nicht, immerhin habe ich früher sechs Monate im Jahr in Norwegen in der Halle gespielt."
„Miami war sicher ein Schub für mein Selbstvertrauen. Dort habe ich mir selbst bewiesen, dass ich auch auf Hardcourt Topspieler schlagen kann."
– Casper Ruud möchte sich auf Hartplatz beweisen.
Wettquoten vom 9.9.2022 – 9:15 Uhr – Bitte beachte, dass die Quoten der Buchmacher sich laufend ändern können / Der Quotenvergleich ist nur eine Auswahl der Redaktion / Es gelten die AGB der Anbieter / Wetten erst ab 18+ / Text von 7.9.2022 / Alle Angaben ohne Gewähr
Offenbar messen die internationalen Wettanbieter bei der Berechnung ihrer Wettquoten dem Belag viel Gewicht bei und waren scheinbar auch von der bisherigen Performance von Karen Khachanov beeindruckt. Zwar weisen die renommierten Buchmacher den Russen noch immer als Außenseiter aus, räumen ihm aber dennoch recht gute Chancen auf den Finaleinzug ein. Die meisten Wertportale bieten für einen Sieg der Nummer 31 der Welt eine Quote zwischen 2,60 und 2,70 an, Casper Ruud wird wiederum durchgehend mit etwa 1,50 bewertet.
Das Team von tenniswetten.de geht von einer klareren Rollenverteilung aus. Obwohl der Norweger seine Waffen auf langsameren Böden effektiver ausspielen kann, ist er der wesentlich solidere Akteur. Khachanov ist hingegen mit seiner Weisheit ziemlich schnell am Ende, wenn seine ursprüngliche Strategie nicht aufgehen will. Zudem tendiert er, mit der Rückhand etwas kurz zu schlagen, was dem Gegner viele Möglichkeiten eröffnet.
Aufgrund der guten Wettervorhersage für Freitag und des vermutlich unter freiem Himmel stattfindenden Matches sollte Khachanov mit seinen kraftvollen Schlägen in der Lage sein, einen Satz zu holen, viel mehr aber auch nicht.
Unser Tipp:
Ruud siegt mit 3:1-Sätzen, bei Cloudbet wird bei diesem Score der Einsatz im Erfolgsfall mit 4,22 multipliziert.
Tobi hat die Halbfinalvorschau Khachanov - Ruud verfasst
Seit 25 Jahren bin ich als Sportjournalist für meinungsbildende überregionale Medien tätig und habe u.a. von Olympischen Spielen, Fußball-Weltmeisterschaften und Tennis-Grand-Slam-Turnieren vor Ort berichtet. Durch die Pressearbeit für nationale Sportverbände und Fernsehsender ist mir zudem auch die PR- und Kommunikationssparte der Branche bestens vertraut. Dem Tennissport fühle ich mich als passionierter Hobbyspieler nicht nur beruflich eng verbunden.
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