Marketa Vondrousova: Lockerheit als Erfolgsrezept

tobi-redaktionTobi
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Ein chronisch lädiertes Handgelenk hatte Marketa Vondrousova aus der Bahn geworfen. Nach ihrer zweiten Operation änderte die Linkshänderin aber ihre Einstellung. Und die selbst gedämpfte Erwartungshaltung führte prompt zum Sensationstriumph in Wimbledon. Doch wie reüssiert die tschechische Feinmechanikerin in der neuen Rolle der Gejagten?

Nicht geplanter Triumph

Vier Jahre nach ihrem ersten Major-Finale war Marketa Vondrousova eigentlich mit sich selbst im Reinen. Zahlreiche Verletzungen hatten sie weit zurückgeworfen und mental frustriert.

Ich dachte vor Wimbledon, dass ich vielleicht nie einen Grand Slam gewinnen und trotzdem eine gute Karriere haben werde. Und dann ist es passiert."

Gerade diese neuentwickelte Lockerheit sollte sich als Erfolgsrezept entpuppen. Als Nummer 42 der Welt ins prestigeträchtigste Turnier des Jahres gestartet, triumphierte die Tschechien als erste ungesetzte Spielerin überhaupt bei den All England Championships.

ZitatIch setzte mich nicht gerne selbst unter Druck", gestand die 24-Jährige letzte Woche bei den Western & Southern Open in Cincinnati. „Von anderen Leuten muss ich eine gewisse Erwartungshaltung hinnehmen. Aber selbst lege ich mir diese Bürde nicht auf. Ich habe gelernt, im Kopf befreit aufzuspielen."

Souveräne Turnierleistung

Der Zugang zahlt sich aus, ihren sensationellen Run in Wimbledon findet Vondrousova im Rückspiegel fast amüsant.

Ich habe davor nie besonders gut auf Rasen gespielt. Also bin ich mit der Einstellung angetreten, einfach ohne Stress ein so viele Matches wie möglich zu bestreiten und zu schauen, wo die Reise hinführt. Doch plötzlich habe ich tatsächlich begonnen, zu gewinnen."

War sie im Viertelfinale gegen Jessica Pegula nur einen Punkt von einem 1:5-Rückstand im Entscheidungssatz entfernt, hatte die Olympia-Silbermedalleurin in der Vorschlussrunde gegen Elina Svitolina ebenso wenig Probleme, wie im nur 80-minütigen Titelmatch gegen eine sichtlich entnervte Ons Jabeur.

Dennoch behielt Vondrousova den Fokus. „Erst als ich das Break zum 5:4 im zweiten Satz schaffte, habe ich gedacht, oh mein Gott, ich schlage jetzt auf den Turniersieg auf. Bis dahin hatte ich keinen Gedanken an den Titelgewinn verschwendet."

Videohighlights aus dem Damenfinale in Wimbledon.


Seltene Linksauslegerin

Man sollte jene Ungläubigkeit im Gesicht der Nummer neun der Welt nach dem Matchball aber nicht mit mangelndem Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten verwechseln. Unter den aktuellen Akteurinnen mit sehr verschiedenen Spielanlagen, die in den Top 15 im WTA-Ranking stehen, ist die für ihre Überraschungsmomente gefürchtete Allrounderin aus Sokolov neben Landsfrau Petra Kvitova die einzige Linksauslegerin.

Mit ihren von Tattoos gezeichneten Armen und einem stets süffisanten Grinsen im Gesicht, hat Vondrousova technisch praktisch jeden Schlag drauf, kombiniert Spin mit Slice, Tempowechsel mit extremen Winkeln.

Allcourt-Spielerin

Inzwischen zu einer veritablen Gefahr auf jedem Belag avanciert, gewann die zweifache Tour-Siegerin zu Beginn des nordamerikanischen Hardcourt-Swings in Montreal erstmals ein Match bei einer US-Open-Generalprobe auf WTA1000-Ebene.

Ich bin kein Underdog mehr. Daran muss ich mich erst gewöhnen."

Auch wenn sie weder in Kanada, wo sie im Achtelfinale gegen Coco Gauff verloren hatte, noch in Cincinnati, wo sie letztlich an der Weltranglistenersten Iga Swaitek gescheitert war, nach dem Titel griff, kann von einem bei Grand-Slam-Champions oft beobachteten Rückfall nach dem großen Triumph keine Rede sein. „Ich bin allein schon dankbar, bei diesen beiden Turnieren mehr als ein Match gewonnen zu haben."

Handgelenk zwingt zu langen Pausen

Vondrousova kennt das Gefühl der Enttäuschung nach großen Erfolgen. Nur wenige Wochen nach dem Finale in Roland-Garros 2019 musste sie sich einer Handgelenksoperation unterziehen und war erst wieder Spielbereit, als die gesamte Tour wegen der Coronavirus-Pandemie für mehrere Monate den Betrieb einstellte.

Ich bin davon ausgegangen, wieder gut zu spielen und alle zu schlagen. Es ist dann anders gekommen", lächelt die Wimbledon-Siegerin, die in den letzten zwei Jahren zweimal aus den Top 100 gefallen war. „Als es endlich wieder los ging. habe ich so viel Druck auf mich selbst ausgeübt und alle anderen haben auch mit mir gerechnet. Nur habe ich es dann nie weit geschafft."

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Einstellung geändert

Ein zweiter Eingriff am selben Handgelenk zwang sie im Vorjahr zu weiteren sechs Monaten Pause. Wimbledon 2022 erlebte Vondrousova lediglich aus der Perspektive der Touristin. Die vorangegangene Erfahrung mit der Verletzung hatte sie aber gelehrt, die Dinge nicht zu schwer zu nehmen. Schritt für Schritt arbeitete sich die Tochter einer Volleyballerin letzten Herbst wieder nach oben.


Ich hatte den Eindruck, dass mein Comeback dieses Mal besser laufen würde, weil ich meine eigene Erwartungshaltung zurückgeschraubt hatte. Aber letztlich habe ich nicht gewusst, ob ich wieder an mein früheres Niveau anschließen würde."

Plötzlich Favoritin

Doch vielmehr als ihre bestes Tennis wiederzufinden, hat Vondrousova völlig neue Höhen erreicht. Ob sie das Level auch im plötzlichen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit halten kann?


Alle werden versuchen, mich zu besiegen. Es wird schwierig, weil jedes Mädel gut gegen mich spielen will. Sie haben nichts zu verlieren. Deshalb muss ich vom ersten Ballwechsel an fokussiert bleiben. Mental muss ich mich auf harte Matches einstellen."

Nachdem es ja zuvor schon wunderbar funktioniert hat zu akzeptieren, dass sie auch ohne Grand-Slam-Titel bestens zurechtkommt, sollte sich Marketa Vondrousova jetzt vielleicht einreden, keinen zweiten gewinnen zu können.

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Autor: Tobi
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