Osakas Sandplatz-Tuning - Eine rutschige Angelegenheit
Spezifische Drills und neue Erfahrungswerte auf körnigem Untergrund sollen Naomi Ōsaka für Roland Garros fit machen. Die erste Bewährungsprobe der wohl weltbesten Spielerin ging in Madrid daneben. Doch das Beispiel Maria Scharapowa zeigt, dass auf Hardcourt getrimmte Powerhitter die komplizierte Umstellung durchaus meistern können.
Größter weiblicher Sportstar
Champions passen ihr Spiel an, hatte Billie Jean King einst gesagt. Naomi Ōsaka befindet sich diesbezüglich noch in der Findungsphase. Am vergangenen Wochenende feierte die Weltranglistenzweite nach beinahe zwei Jahren Pause ihr Comeback auf roter Asche. Hatte sie zum Auftakt der Madrid Open mit ihrer japanischen Landsfrau Misaki Doi noch einige Mühe, kam gegen die Tschechin Karolína Muchová dann das frühe Aus.
Erfahrung steigert Selbstbewusstsein
Auf dem Courtgewann die 23-Jährige die letzten zwei Grand-Slam-Turniere, an denen sie teilnahm, insgesamt hält sie nun bei vier Major-Titel. Auch wenn es auf den harten Böden von New York und Melbourne rund gelaufen sein mag, wollte es auf Sand nie so recht klappen.
Vor ihrem Trip in die spanische Hauptstadt hatte Ōsaka zuletzt im Mai 2019 auf körnigem Untergrund gespielt, eine Drittrunden-Niederlage gegen Kateřina Siniaková in Roland Garros. Damals schien die Bürde des Erwartungsdruckes, der auf einer Nummer eins der Welt lastet, sie ebenso zu hemmen wie das Sandplatz-Tennis an sich.Doch zwei Major-Triumphe an Erfahrung reicher, ist Ōsaka heute eine völlig andere Frau. Sie tritt sowohl auf dem Platz als auch in der Öffentlichkeit wesentlich selbstbewusster auf und ist zutiefst überzeugt, was sie mit ihrer Strahlkraft bewirken kann, wie ihr in der Szene viel beachtetes Engagement in der Black-Lives-Matter-Bewegung verdeutlicht.
Angriff als beste Verteidigung
Nach ihrem Australian-Open-Sieg im Februar erreichte Ōsaka das Miami-Viertelfinale, ehe sie sich eine Auszeit für das Feintuning auf Sand gönnte. Die Anpassung wird allerdings zur Geduldsprobe, wie in Madrid offenkundig wurde. Allzu lange möchte sich die Powerhitterin aber ohnehin nicht auf dem ungeliebten Belag aufhalten. Nach Madrid konzentriert sie sich auf das nächste WTA1000-Turnier nächste Woche in Rom sowie den French Open Ende des Monats in Paris.
„Ich muss diejenige sein, die offensiv spielt und das Tempo bestimmt."
- Osaka über ihre Herausforderungen auf Sand-Belag. |
Für Spielerinnen und Spieler, die nicht auf dem staubigen Boden aufwachsen, können die sehr spezifischen Bewegungsabläufe wie das Rutschen oder die Fähigkeit, aus einem toten Ball einen Druckschlag zu erzeugen, vor Probleme stellen. Ōsaka gesteht, dass ihr der natürliche Wohlfühlfaktor auf roter Asche fehlt und sie oft nach der richtigen Balance sucht. „Ich habe gemerkt, dass ich auf Sand jeden Ball schlagen muss. Sonst gerät man unbewusst von Angriff in die Verteidigung", konstatierte sie nach dem Ausscheiden in Madrid. „Ich muss diejenige sein, die offensiv spielt und das Tempo bestimmt."
Scharapowa zeigte es vor
Die Umschulung dürfte aber keineswegs unmöglich sein, wie Maria Scharapowa einst vorführte. Die Russin, die sich zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere in Bezug auf Sand selbst als „Kuh auf dem Eis" bezeichnet hatte, krönte sich noch zu einem zweifachen French-Open-Champion und spielte letztlich auf Asche ihr vermutlich bestes Tennis. Und zufällig nahm Ōsaka im vergangenen Sommer Yutaka Nakamura in ihren Betreuerstab auf, den ehemaligen Fitness-Coach der inzwischen zurückgetretenen fünffachen Major-Gewinnerin.
„[Ich] hoffe, in diesem Jahr mehr Sicherheit zu bekommen."
- Osaka ortet die Wurzel ihres Problems im Kopf. |
Doch selbst wenn die aktuell herausragende Hardcourt-Spielerin nicht annähernd dieselbe Dominanz auf Sand an den Tag legt, geht sie bei der Konkurrenz noch lange nicht als Freilos durch. Immerhin stand Ōsaka 2019 im Stuttgart-Semifinale, in Madrid und Rom kam sie jeweils in der Runde der letzten Acht. „Ich bin auch überzeugt, dass ich damals bei den Niederlagen die Matches eher im Kopf verloren habe", sagt die Japanerin. „Jedenfalls war ich physisch nicht ausgelaugt und hoffe, in diesem Jahr mehr Sicherheit zu bekommen."
Erfolgscoach mahnt zur Ruhe
Mit ihrem Coach Wim Fissette, der bereits zahlreiche Spielerinnen zu Grand-Slam-Titeln führen konnte, will die siebenmalige Turniersiegerin verstärkt Sandplatz-Drills eingelegt haben, wie sie im Vorfeld der Madrid Open verriet. „Wir arbeiten viel am Rutschen und der Beweglichkeit im Allgemeinen, machen mehr Stretching und weniger Kraft als auf Hartplatz."
Osakas Trainer Wim Fissette postet ein gemeinsames Foto von den Miami Open auf seinem Instagram-Kanal.
In Madrid offenbarte Ōsaka, vom Training oft frustriert gewesen zu sein. „Normalerweise entwickle ich bei einem Belagwechsel schnell den richtigen Touch. Auf Sand ist es anders. Du musst die Beinarbeit komplett umstellen und dich auf Platzfehler einstellen. Das hat mich anfangs irritiert. Wim meinte, es sei normal und ich müsse nur ruhig bleiben. Ich denke, dass ich einfach mehr Matchpraxis benötige."
Schwache Bilanz auf Sand
Um in den illustren Kreis der Allzeit-Größen des Sports einzudringen, wird Ōsaka wohl oder übel den Karriere-Slam ins Visier nehmen müssen, d.h. den Titel in Roland Garros ebenso ansteuern wie jenen in Wimbledon, wo sie in der Vergangenheit stets zu kämpfen hatte. Ihr auf Hardcourt so ausgeprägter Killerinstinkt scheint auf Sand und Rasen noch ausbaufähig, die Siegquote auf diesen zwei Untergründen liegt gleichermaßen bei verhältnismäßig mageren 55 Prozent.
Blick auf Paris gerichtet
In Rom hofft Ōsaka jedenfalls, mehr Matches zu bekommen, ihr Fokus ist aber schon weiter nach vorne gerichtet. „Wir wollen überall gut spielen und um Titel kämpfen. Am liebsten würde ich mein höchstes Level aber in Paris erreichen."