Wimbledon-Ausschlüsse: Unerwünschter Effekt?

tobi-redaktionTobi
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Mit ihrer Entscheidung, wegen Vladimir Putins Überfall auf die Ukraine keine Spielerinnen und Spieler aus Russland bzw. Belarus zum diesjährigen Grand-Slam-Turnier in Wimbledon zuzulassen, erntet die britische Regierung viel Kritik. Die ATP droht gar, bei Vollstreckung der Maßnahme keine Weltranglistenpunkte beim Rasen-Klassiker zu vergeben. Wer davon am meisten profitieren würde? Daniil Medvedev.

ATP-Spielerrat drängt auf Gegenmaßnahmen

wimbledon tennis ballDie Diskussionen um den Ausschluss von Profis aus Russland und Belarus beim diesjährigen Wimbledon-Turnier sowie aller weiteren Tennisevents in England, nehmen kein Ende. Während mehrere Topspieler wenig Verständnis für die Entscheidung der britischen Regierung zeigen, will die ATP einen Schritt weitergehen: Die Interessensvertretung der Herren-Tour erwägt, keine Weltranglistenpunkte bei den Rasenveranstaltungen auf den britischen Inseln, inklusive beim Major an der Londoner Church Road, in diesem Sommer zu vergeben.

Gerüchten zufolge drängt der Spielerrat der ATP vehement dazu, die Drohung tatsächlich umzusetzen. Die Maßnahme würde wohl für einen ähnlichen Aufruhr sorgen wie der legendäre Wimbledon-Boykott 1973, als 81 Akteure aus Protest gegen die Suspendierung von Niki Pilic auf eine Teilnahme bei den All England Championships verzichteten, darunter die beiden vorangegangenen Gewinner John Newcombe und Stan Smith.

Rasensaison bringt wertvolle Punkte

infoObwohl die Rasensaison längst auf schlanke fünf Wochen im Jahr gestutzt wurde, hat sie für einige Spieler nach wie vor enorme Bedeutung. Ohne die Möglichkeit, Punkte für das Ranking zu sammeln, müssten nicht nur die englischen Veranstalter mit einschneidenden Konsequenzen rechnen, eine regelrechte Absagenflut wäre zu befürchten. Die Spielerinnenvereinigung der Damen-Tour hält sich übrigens bezüglich einer etwaigen Streichung von Weltranglistenpunkten bei englischen WTA-Veranstaltungen noch bedeckt.

Um die Gewichtung der Turniere auf grünem Naturbelag zu werten, möge man sich lediglich vorstellen, welche Auswirkungen die Herabstufung der englischen Rasensaison des Vorjahres zu reinen Exhibition-Turniere auf die aktuelle Weltrangliste hätte.

Entscheidende Ranking-Sprünge in Wimbledon

Ein großer Verlierer wäre 2021 Matteo Berrettini gewesen. Der Italiener gewann letztes Jahr das klassische Wimbledon-Vorbereitungsturnier im Londoner Queen's Club und erreichte im Anschluss das Finale des Rasen-Grand-Slams. Im Ranking würde der Aufschlaggigant aus den Top 10 fallen und sich um Platz 16 wiederfinden.

Die beiden Semifinal-Verlierer beim letztjährigen Wimbledon-Turnier, Hubert Hurkacz und Denis Shapovalov müssten ebenfalls den Preis für nicht erspielbare Punkte zahlen. Der aktuell auf Position 13 platzierte Pole hätte in absehbarer Zeit keine Aussichten auf einen Top-10-Rang. Der Kanadier, derzeit 15. der Welt, fiele sogar aus den Top 20, zumal er auch im Queen's Club in der Vorschlussrunde stand.

Djokovic und Federer als große Verlierer

Und dann gäbe es den sehr speziellen Fall von Roger Federer. Der Schweizer, der wegen anhaltender Kniebeschwerden seit mittlerweile fast einem Jahr kein Match mehr bestritten hat, nagt nicht nur an seinem Wimbledon-Viertelfinale aus dem vergangenen Jahr, sondern auch an der Hälfte der Zähler von 2019. Damals war der Maestro in einem epischen Finale Novak Djokovic unterlegen, im folgenden Sommer fiel die Tour der Pandemie zum Opfer, die Ranglistenpunkte wurden eingefroren.

roger-federer-aufschlagRoger Federer zehrt noch von in Wimbledon erworbenen Zählern.MehrWeniger

Kurzum: Federer, derzeit Nummer 46 im ATP-Computer, würde von seinen 1030 Punkten 600 verlieren und aus den besten 100 der Welt hinausfallen. Und der Absturz hätte vor Beginn der Rasenturniere noch dramatischer ausfallen können, da der 20-fache Major-Gewinner noch ein Achtelfinale von Roland Garros zu verteidigen hat.

hinweis ausrufezeichenDen größten Aderlass bekäme aber Novak Djokovic zu spüren. Mit 2000 Punkten weniger am Konto wäre der amtierende Wimbledon-Sieger nicht der Weltranglistenspitzenreiter. Diese Position würde Daniil Medvedev einnehmen, der sich 2021 nach dem Achtelfinale aus London verabschiedete. Zwar hatte der US-Open-Champion davor durch den Semifinaleinzug in Mallorca wertvolle Punkte auf Gras geholt, doch gehört die Balearen-Insel bekanntlich nicht zum Vereinigten Königreich.

Djokovic-Tokyo-2020-Niederlage-1024x683Djokovic wäre der größte Verlierer, würden Punkte gestrichen.MehrWeniger

Medvedev zeigt Verständnis

Zufall oder nicht, hatte der nach einem Leistenbruch in dieser Woche in Genf sein Tour-Comeback gebende Russe keine englischen Events in seinem Turnierkalender aufgelistet. Medvedev wollte sich ursprünglich in 's-Hertogenbosch und Halle für Wimbledon einschlagen, eine kurzfristige Nennung für Mallorca stand ebenfalls im Raum. Da der 26-Jährige kaum Punkte in dieser Zeit zu verteidigen hat, wäre er eine Ironie des Schicksals, wenn ausgerechnet die Nummer zwei der Welt von den ATP-Maßnahmen profitiert.

daniil-medvedev-us-open-1024x683Wo Verlierer, da Gewinner: Medvedev würde zu letzteren zählen.MehrWeniger

Apropos: Nach wochenlangem Schweigen meldete sich Medvedev am Montag zum möglichen Ausschluss in Wimbledon zu Wort. Und im Gegensatz zu ebenso betroffene Kollegen wie Andrey Rublev und Victoria Azarenka zeigt der Moskauer durchaus Verständnis für die „verzwickte Situation", wie er es nennt. „Es ist wie immer im Leben. Wenn du hundert Spieler fragst, bekommst du hundert verschiedene Antworten."

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Autor: Tobi
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